Hol mal richtig Luft!
Atmen ist eine der einfachsten Sachen der Welt. Dank unseres Gehirns und unserer Reflexe atmen wir automatisch ein und aus – ohne darüber nachzudenken. Weil unser Körper den Sauerstoff nicht speichern kann, machen wir am Tag über 20 000 Atemzüge und inhalieren über 6000 Liter Luft dabei. Anders als den Herzschlag oder die Verdauung können wir die Atmung beeinflussen. Mit der richtigen Atemtechnik können wir Schmerzen erträglicher machen, Ängste und Depressionen lindern, schneller einschlafen, die Konzentration steigern, das Herz entlasten und die Gefühle beim Sex intensivieren.
Leider holt der Großteil von uns nicht richtig Luft, mich eingeschlossen. Laut einer Studie atmen etwa 60 - 80% der Menschen kürzer und flacher als es biologisch vorgesehen ist. Pneumologe Dr. Jan Grimminger (UKGM): „Ein Großteil der Menschen atmet falsch. Durch ein zu flaches Atmen in den Brustkorb unter Anspannung der Bauchmuskulatur wird unser Sympathikus aktiviert. Dies ist der Teil des Nervensystems, welcher dafür zuständig ist, die Systeme auf Alarm zu stellen. Wir sind also permanent unter Strom. Säuglinge hingegen atmen „in den Bauch“. Dabei wird selbstverständlich nicht die Luft heruntergeschluckt, aber der Bauch bewusst entspannt. Das senkt automatisch unser Stresslevel. Diese und andere Atemtechniken werden daher schon seit Längerem z.B. im Sport oder bei Therapien verwendet. Ein perfekter Atemzug in den Bauch dauert 5,5 Sekunden. Es sollte durch die Nase ein- und ausgeatmet werden, so erwärmt und befeuchtet die Nase die Luft, die in die Lunge gelangt“.
Kein Wunder also, dass Fitness-Studios, Spas und Coaches Atem-Therapie-Sitzungen anbieten. Sportler treffen sich im Gym zu Power-Atemkursen, Schüler starten in den Unterricht beim gemeinsamen Pranayama, um Körper und Geist zu verbinden und Firmenchefs, wie auch Gwyneth Paltrow, engagieren Atem-Gurus für ihre Mitarbeiter. Was in der traditionellen chinesischen Medizin oder beim Yoga seit Jahrtausenden bekannt ist, wird bei uns erfolgreich gerade wiederentdeckt – die Kraft der Atmung!
Vollatmung für Entspannung
Für die Vollatmung setze dich aufrecht auf einen Stuhl oder in den Schneidersitz. Entspanne den Bauch. Lege eine Hand auf die Brust, um zu fühlen wie sich der Brustkorb mit der Einatmung ausdehnt und mit der Ausatmung zurückzieht. Entspanne die Schultern. Nach drei Atemzügen lege die andere Hand auf den Bauch. Dieser sollte mit der Einatmung gegen die Handfläche schieben und sich beim Ausatmen zurückziehen. Je bewusster du in den Bauch einatmest, desto deutlicher wird die Bewegung. Nach drei weiteren Atemzügen lege die Hände um die untere Taille. Beim Einatmen öffne die Rippen.
Wechselatmung für Konzentration
Das Nachmittagstief ist im Anmarsch und im Job läuft nichts mehr? Jetzt ein Schokoriegel oder lieber mit der Atmung fokussieren? Bei der Wechselatmung - oder von den Yogis Nadi Shodhan Pranayama genannt - wird abwechselnd ein Nasenloch mit den Fingern geschlossen, um durch das andere ein- und auszuatmen. So zirkuliert abwechselnd frischer Sauerstoff durch den Körper und die Energiekanäle werden gereinigt, um in kurzer Zeit das Nervensystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Auch Supermodel Gisele Bündchen sorgt so für Ausgleich in ihrem Alltag – und wenn sie dies auf Instagram postet, probiert Bella Hadid es auch gleich aus!
4-4-4-4- für Mut
4-4-4-4 die Notfallnummer, wenn sich eine Mini-Panikattacke oder Angst bemerkbar macht. 4 Minuten lang: Innerlich bis 4 zählen und durch die Nase einatmen. Jetzt wird bis 4 zählend der Atem angehalten, um dann bis 4 zählend durch die Nase wieder auszuatmen. Nach mindestens vier Minuten wird so der Herzschlag beruhigt und die Gedanken ausgebremst.
Mit 6 Atemzügen in den Schlaf atmen
Im Bett hast du noch die Arbeit oder schon den morgendlichen Wecker im Kopf? Für einen erholsamen Schlaf atme durch die Nase vier Sekunden ein und sechs Sekunden lang aus. Das sind sechs volle Atemzüge pro Minute. Das kann die Körperfunktionen regulieren, das Herz muss nicht mehr so heftig pumpen, um das sauerstoffarme Blut aus den Enden abzutransportieren und wird entlastet, was eine Entspannungsreaktion auslöst und den Abbau der Stresshormone begünstigt. Man wird ruhiger und kann besser einschlafen.
Intensiver kommen mit tiefer Atmung
Durch die Atmung können wir unserem Partner beim Liebesspiel zeigen, welche Berührungen mehr oder weniger intensive Gefühle auslösen. Halten wir kurz vor dem Höhepunkt die Luft an, um eventuell möglichst leise zu sein, ist dies ein echter Orgasmus-Schocker. Wer tief in Richtung Becken atmet, steigert die Sauerstoffversorgung im Gehirn und trägt zu einem intensiveren Empfinden bei. Das Ergebnis: man erlebt einen ekstatischeren, länger anhaltenden Höhepunkt – und die Nachbarn eventuell auch.