journaling

MINDFULNESS editorial

Ordnung für deine Gedanken

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Von Anna Siegener
Lesezeit: ca. 5 Minuten


Jour­na­ling, das klingt so schön. Und so entspannt.  Ein hübsches Notizbuch kaufen, einen edlen Stift oder Füller und dann mit einer Tasse Tee im Sessel sitzen und die Gedanken und Erlebnisse zu Papier bringen, sie festhalten, ordnen, betrachten und sich dabei weiterentwickeln, hin zu Selbsterkenntnis und Weiterentwicklung. Das ist das Ziel, so soll es sein, nur: Nach drei Tagen, an denen du die Seiten voller Enthusiasmus gefüllt hast, tröpfeln die Sätze nur noch spärlich aufs Papier oder gar nicht mehr und dann verschwindet das schöne Buch ganz hinten im der Schreibtischschublade und nichts bleibt, außer einem schlechten Gewissen. Anfängerfehler, denn: Journaling ist eben nicht das englische Wort für Tagebuchschreiben. Es ist ein kluger Weg zu Selbsterkenntnis und Achtsamkeit mit unzähligen positiven Effekten (s. unten). Aber: Es ist manchmal auch mit etwas Arbeit und Disziplin verbunden, dranbleiben, nachdenken und, der Nutzen liegt vor allem in der Vertiefung und Regelmäßigkeit, dranbleiben und das Journal in die eh schon vollgestopfte Daily Routine integrieren. Und vor allem: die richtige Technik finden, die zu dir passt. Wir stellen dir deshalb die bekanntesten Methoden vor und empfehlen dir: Probier jede für ein paar Tage aus, bis du weißt, welche dir liegt. 

Einfach fliessen lassen: der „Stream of Consciousness“

Freiheit total: Hier gibt es eigentlich keine Vorgaben, und das ist genauso gemeint. Es funktioniert nur gut, wenn du dir auch selbst die Erlaubnis zur Freitheit, zum Unsinn, zum Langweiligen, zum Wiederholen oder Andeuten gibst. Alle Regeln sind außer Kraft: Logik, Chronologie, Rechtschreibung und wer sagt, dass man in ganzen Sätzen schreiben muss. Der innere Kritiker soll bitteschön die Klappe halten. Denn das ist das Ziel. Diese Methode eignet sich toll in Zeiten, wenn alles chaotisch ist und man eh keinen geraden Gedanken fassen kann. Den ganzen Kram auf Papier zu bannen und irgendwo am Rand noch kurz „morgen Tante Rita anrufen“ zu notieren, weil es einem gerade durch den Kopf schießt, kann super hilfreich sein beim Kopf entmüllen. Halte dir vor Augen: Notfalls ist es da, aber eigentlich muss weder ich noch sonst irgendjemand das Zeug nochmal lesen. Weg damit! Es ist ein bisschen wie einen Brief schreiben, von dem man vorher schon weiß, dass man ihn niemals abschicken wird. Einfach raus, und danach geht es einem besser. Wem diese Technik schwer fällt oder wer sich darin verliert, kann sich Wecker auf zehn oder 15 Minuten stellen, und was dann ist, das ist. 

Zielgerichtet planen: das Erfolgs-Journal

Ein bisschen das Gegenmodell: Es geht nämlich darum, dir deine Ziele bewusst zu machen. Du schreibst also als erstes dein Ziel auf - und überprüfst es: Warum ist mir das so wichtig? Ist es ein sinnvolles Ziel? Bis wann will ich es erreichen? Damit es nicht nur eine bessere To-Do-Liste wird, darf das ruhig emotional sein: Ich träume von… Ich stelle es mir so schön vor, wenn…

Daraus folgt dann ein Zeitplan: „Bis Oktober möchte ich das erreicht haben.“ Dann einzelne Schritte, die du dafür gehen musst: Was musst du lernen, erledigen. Das geht zum Beispiel als Wochenübersicht. Oder in dem du Einzelmaßnahmen aufsetzt, die du dann täglich überprüfst. Wichtig dabei: nachzuhalten, was schwierig war und nicht oder erst später geklappt hat und vor allem, welche Erfolge du erreicht hast. Das erhöht die Motivation und das Gefühl, dass dir Dinge gelungen sind. Zwischendurch kannst du dein Ziel auch immer wieder mal überprüfen: Will ich es immer noch? Oder ist mir der Weg dahin zu anstrengend? Ein Erfolgs-Journal kannst du dir ganz individuell selbst anlegen, es gibt sie aber auch mit vorgefertigten Zeitplänen und Fragen. Wichtig auch noch: Zwischendrin Pausen einplanen, schauen, was man geschafft hat, sich selbst loben: „Diese Pause hast du dir verdient.“ Diese Art von Journaling ist nämlich anstrengend, ohne Zeit für Entspannung und Loslassen wird es sonst nicht beglückend, sondern nur Stress.

Ein Lexikon, nur über mich: Prompting

Journaling mit Prompts ist sowas wie die Light-Version einer Therapie bzw. kann es auch zur Unterstützung einer Therapie gut eingesetzt werden. „Prompt“ bedeutet „Stichwort“ und gemeint ist, dass man mit dieser Methode bestimmte Themen beackern kann. Das kann so etwas „Großes“ sein wie die Frage: Wer bin ich? Oder auch etwas konkret Umrissenes wie der Tod eines Elternteils oder die Frage, was ich nach einer Kündigung mit mir anfangen soll. Das Prinzip: Du stellst dir selbst Fragen, die du schriftlich beantwortest. Möglich ist alles: „Was war das schönste am letzten Sommer?“, „Warum bibbere ich vor jeder Konferenz, obwohl ich eigentlich alles draufhabe?“ oder „Welche Bücher möchte ich dieses Jahr lesen und warum?“. Unter dem Stichwort „Journal prompt“ findest du zum Beispiel auf Pinterest unzählige Themen zur Inspiration. Wichtig: Fang ganz klein an. „Was ist mein liebstes Morgenritual?“ ist ein viel besserer Starter als „Wie ist meine Mutterbeziehung?“ Irgendwann hast du eine großes Sammlung von Einzelthemen, die in ihrer Gesamtheit ganz genau beschreiben, wer du bist und was du in einer bestimmten Zeit deines Lebens gedacht und gefühlt hast. Fast wie ein Nachschlagewerk, und so kann man es auch nutzen: Wenn du mal wieder denkst, du seist langweilig, guck mal nach, was du für spannende Lieblingsfilme hast oder wie  witzig du über deine Freundinnen geschrieben hast.

Noch ein Tipp: Schreib nicht nur über Vergangenes und Aktuelles, sondern auch über die Zukunft. So werden auch deine Sehnsüchte und Träume ein greifbarer Teil deiner Realität, und du weißt ja, dann werden sie viel eher wahr…

Jeden Tag ein bisschen: Das Drei-Minuten-Journal

Oder genauer gesagt sollen es sechs Minuten sein, die dieses Journaling dich jeden Tag an Zeit kostet: drei morgens, drei abends. Sollte doch machbar sein, selbst für die multitaskenden High-Speed-Frauen, die wir sind. Das Prinzip: Du beantwortest täglich die selben drei Fragen, die sich hauptsächlich um das drehen, was heute schön war, auf was du dich freust oder wofür du dankbar bist. Das Ziel ist dabei, die Achtsamkeit zu schulen – denn wenn du weißt, du sollst heute Abend die Frage beantworten, wird sich sehr schnell deine Aufmerksamkeit am Tag auf die entsprechenden Dinge richten. Und da die Fragen sich um positive Dinge drehen - worauf freue ich mich heute, worauf kann ich stolz sein, was habe ich an die Welt zurückgegeben - legt sich dieser Fokus auf Freude, Dankbarkeit, Achtsamkeit für die kleinen Dinge, die uns oft so glücklich machen, ohne dass wir es wirklich wahrnehmen. Das ist sehr effektvoll, denn unser Hirn ist von Natur aus stark auf Negativ gepolt, weil es seine Aufgabe ist, alle Erfahrungen so auszuwerten, dass uns in Zukunft nichts Böses passiert. Es gewichtet also Schmerzhaftes stärker als Schönes, wenn man nicht gegenhält.

Es gibt viele fertige schöne Drei-Minuten-Tagebücher, auch zu Unterthemen wie Essen oder Sport. Aber man kann sie auch wunderbar selber machen. Das Gute daran: Du kannst dir, wenn es langweilig wird, selbst neue Fragen ausdenken. 

Regelmäßig zurückblicken: die Periodische Reflexion

Die Methode ist ganz ähnlich wie beim Drei-Minuten-Tagebuch. Es geht ebenfalls um Achtsamkeit, aber stärker noch um das Nachhalten bestimmter Themen. Du schreibst auch in festgelegten Zeitabständen und antwortest auf (selbstgestellte) Fragen – aber nicht täglich, sondern wöchentlich, monatlich oder so, wie es dir für dich und dein Thema passend erscheint. Der Focus liegt daher auf dem Rückblick auf diesen Zeitabschnitt, den du so reflektieren kannst, daher der Name. Du betrachtest also die Vergangenheit: Du siehst, was du erreicht hast oder eben nicht, und kannst daraus lernen. Diese Journaling-Form eignet sich gut, wenn man sich Veränderung wünscht. Wenn man alte Verhaltensweisen oder belastende Glaubenssätze betrachten, bearbeiten oder ablegen möchte. Wichtig ist daher, positiv zu formulieren und sich selbst mit liebevollem Blick anzusehen: Nicht „schon wieder nicht hinbekommen“, sondern „Toll, wie weit ich schon gekommen bin.“ 

Fazit: Journaling lohnt sich wirklich. Egal welche Methode du wählst, lernst du dir selbst besser zuzuhören, dir selbst Raum zu geben und dass du wichtig bist. Es ist entlastend und bereichernd, machen Dinge schriftlich „abzulegen“ und manche „niederzulegen“ und fassbar zu machen: Das bin ich. Es gibt keine beste Methode, sondern nur die, dir gut tut. Du darfst sie auch gern modifizieren und an deine Bedürfnisse und dein Zeitbudget anpassen, z.B. täglich kurz schreiben, und am WE mit etwas mehr Zeit zusammenfassen. Oder probiere mehrere aus, wechsle oder mische sie. Das ist schon der erste Schritt, denn hier zählst du.

Nur eine Sache solltest du nicht ändern: Schreibe mit der Hand. Denn mit Stift und Papier wird die linke Gehirnhälfte aktiviert, die emotionale kreative intuitive. Die Gefühle fließen dann viel leichter in dein neues Me-Journal.

anna

Experte

Anna Siegener

Anna ist seit vielen Jahren als Autorin im Universum der anspruchsvollen Frauenzeitschriften unterwegs. Sie beschäftigt sich am liebsten mit allem, was unser Leben schöner und leichter macht, in Beruf und Familie, Körper und Seele, Lieben und Leben. Ihr Credo: Gute neue Gedanken und Ideen muss man großzügig weitergeben, damit sie wachsen und wirken können.